2. Preis: Nemory – ein Zeitzeug_innen-Projekt
Fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs halten Rechtsextremismus und Antisemitismus zunehmend Einzug in unsere Gesellschaft. Sie drohen insbesondere unter Jugendlichen salonfähiger und akzeptierter zu werden. Es gilt, die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten – „Nemory“ macht das vor.
Wie unterschiedlich der Umgang mit einer Vergangenheit im Dritten Reich in Familien und zwischen den Generationen ausfallen kann, stellte sich im Rahmen eines Rechercheauftrags für das Dokumentationszentrum Nationalsozialismus heraus. Seniorinnen und Senioren schilderten darin, dass sie über ihr Erleben dieser Zeit kaum mit jemandem sprechen.
Daraufhin entwickelte sich die Idee, die Bewohnerinnen und Bewohner eines Freiburger Seniorenstifts mit Jugendlichen zusammenzubringen – die sofort voller Interesse an den bewegten Biografien der Älteren waren.
Nach einem ersten Kennenlernen kamen mehr als zehn junge Menschen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Alter von 80 bis 103 Jahren ins Gespräch.
Auf Augenhöhe konnten sie in offenen Gesprächen unmittelbar von den Geschehnissen erfahren und die Geschichte greifbar werden lassen. Die gewonnenen Erkenntnisse wollte die Projektgruppe nicht für sich behalten und stattdessen in einem Dokumentarfilm verewigen.
Fragen wie „Was hielt dich in diesen Jahren am Leben?“ oder „Ist es vertretbar, Vergleiche zu heutigen Situationen zu ziehen?“ und weitere gesammelte Informationen bildeten außerdem die Basis eines Bühnen-konzepts, in dem die Jugendlichen von ihren Eindrücken berichteten. Mit der Präsentation im Seniorenstift wurde zusätzlich eine tiefergehende Diskussion unter den Generationen eingeleitet.
Die Geschichte derer, die inmitten von Diktatur und Krieg aufwachsen mussten, ist auch nach mittlerweile rund 20 Gesprächen nicht auserzählt.
Die Zeit nachzufragen jedoch schwindet. Solange es möglich ist, sollen weitere Erinnerungen gesammelt und Interviews geführt werden, auch mit Expertinnen und Experten, die Perspektiven der Forschung zu den Mechanismen und Folgen des Nationalsozialismus beisteuern können.
Maßgeblich vorangetrieben und umgesetzt wird all das in erster Linie von Jugendlichen, deren Interesse an gesellschaftlich-relevanten Themen trotz polarisierenden Zeiten und düsteren Zukunftsaussichten nicht geschmälert wird
Statement der Jury:
„Zeit ist vergänglich und wird von historischen Ereignissen dirigiert. Deshalb finde ich es so inspirierend, dass junge Menschen sich für den Erhalt der Geschichte einsetzen, um unsere Demokratie zu schützen und unabhängig des Alters Begegnungspunkte mit der Vergangenheit zu schaffen. Weil unsere Demokratie in unseren Händen liegt.“
Jonas Dehmel, Dachverband der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg